Passion

Gesungen wurden Ludwig van Beethoven "Christus am Ölberge", Felix Mendelssohn-Bartholdy "Christusfragment" und Giuseppe Verdi "Stabat Mater". Das Konzert stellte die Leidensgeschichte Jesu Christi nicht in einer der großen geschlossenen Oratorienkompositionen vor, sondern in drei Stationen:
Christus am Ölberge, Christus vor Pilatus und Christi Mutter unter dem Kreuz.
Drei Komponisten gestalten diese Stationen in sehr individuellen aber auch zeittypischen Werken, die 1 Jahrhundert musikalisch umspannen.

Solisten:

  • Brigitte Bauma (Sopran)
  • Helmut Wildhaber (Tenor)
  • Bardo Menke(Bariton)


Unterstützt wurden wir vom Kurpfälzisches Kammerorchester Mannheim.

 

Geschichte des Leidens in Tönen

Trierer Konzertchor und Kurpfälzisches Kammerorchester in St. Maximin

Von unserem Mitarbeiter WOLFGANG VALERIUS

TRIER. Es zählt sicherlich zu den Widersprüchlichkeiten unserer Zeit, daß in einer weitestgehend säkularisierten Gesellschaft Bachs Weihnachtsoratorium ebenso wie seine beiden Passionen zum wiederkehrenden, festen Bestandteil eines außerkirchlichen Kulturbetriebs gehören. Doch wenn es auch immer noch einige - die vielen freien Plätze in St. Maximin sprechen für sich - nicht so recht glauben mögen, es geht in der vorösterlichen Zeit auch mal ohne Matthäus- oder Johannespassion.

Manfred May hatte für sein Konzert mit dem Trierer Konzertchor ein höchst durchdachtes "Alternativ"-Programm zum Passions-Thema zusammengestellt. In chronologischer Abfolge des biblischen Geschehens, reihten sich Beethovens, "Christus am Ölberge", Mendelssohns Fragment über das Leiden Christi, (Jesus von Pilatus) sowie Verdis "Stabat Mater" (Jesu Mutter steht unter dem Kreuz) zu einem eindrucksvollen musikalischen Passionsgeschehen aneinander, das von der Eindringlichkeit seiner Aussage her den bekannten Passionsvertonungen in nichts nachstand. Eher das Gegenteil war der Fall, denn ein später Verdi steht uns mit der Sprache seiner musikalischen Empfindungskraft sicherlich näher als der barocke Bach. Schon in Einleitungstakten zu Beethovens "Christus am Ölberge" verspürte man die hochsensible Thematik des zugrundeliegenden Stoffes. Im äußersten Pianissimo setzte das intonatorisch hervorragende Mannheimer Kammerorchester ein und zeichnete in ausgewogener Klanglichkeit die feinsinnige Struktur der Beethovenschen Musik nach. May gelang es hier, gleichsam in der Musik eine Art meditative Stille (so widersprüchlich das scheinen mag) hervorzurufen, die während der ganzen "Introduzione", wenn Jesus zu seinem Vater betet, die Besonderheit des Geschehens eindringlich vor Augen hielt.

Ein Großer unter den Tenören

Und wenn Helmut Wildhaber die Partie des Jesus anstimmt, dann wird sogleich mit den ersten Tönen schon bewußt, daß er einer der ganz Großen seines Faches ist, einer der nicht nur über außergewöhnliche stimmliche Qualitäten verfügt, sondern vielmehr einer, der mit vollem Engagement seine Rolle verkörpert, sie mit geradezu genialer Kunstfertigkeit zu höchstem Ausdruck bringt. Sein Tenör vereinigt dabei sonore Fülle, Klarheit in der Zeichnung, klangliche Brillanz bis in die Höhen sowie garantierte Textverständlichkeit.

Die Rolle des Petrus singt Bardo Menke ebenfalls mit einem hohen Maß an Ausdruckskraft. Seine Stimme ist dabei klar zeichnend, doch hätte sie vor allem im Verbund mit Wildhaber ein wenig mehr an Volumen vertragen. Etwas unglücklich war Brigitte Baumas SeraphPartie. [...] Von engelsgleichem Gesang konnte kaum die Rede sein, wenngleich man in der Tiefe doch auch immer wieder unverkennbar erlesene Züge ihrer Stimme vernehmen konnte.

Bestens disponiert war an diesem Abend auch der Konzertchor. Optisch wie akustisch war das Stimmenverhältnis ausgeglichen. Der Klang war ohne jede Schärfe und selbst in den Höhen hatte der Sopran noch reichlich Volumen. Auch die Männer zeigten sich im "Chor der Krieger" beziehungsweise "Chor der Jünger" von ihrer besten Seite. Mit artikulatorischer Prägnanz und pointierter Schärfe gestalteten sie ihre Partien sehr überzeugend. Was die Intonation anbelangt, gab es keine Schwächen. Selbst die heiklen Einsätze in Verdis "Stabat Mater" gerieten wie die harmonischen Reibungen vortrefflich. Und welch eine Erhabenheit ging von Mendelssohns so scheinbar schlichtem, jedoch mit inniger Ergriffenheit gesungenem Choral aus!

Trierischer Volksfreund 23. März 1999

 

Passionskonzert mit außergewöhnlicher Rarität

Beethovens Oratorium "Christus am Ölberge" in der Trierer Basilika

Ludwig van Beethovens in den Jahren 1801/02 entstandenes Oratorium "Christus am Ölberge" gehört zu den nur äußerst selten aufgeführten, ja fast vergessenen Werken des Meisters, was sich nicht zuletzt wohl auch auf die Zweckbestimmung dieser Komposition zurückführen läßt. Denn das im Jahre 1803 mit großem Erfolg im Theater an der Wien uraufgeführte Oratorium war für jene Fastentage des Theaters gedacht, an denen keine normalen Bühnenstücke aufgeführt werden durften. So entschied man sich für eine Art Mischform aus Oratorium und Oper, die Beethoven im "Ölberg"Werk gestaltete, komponiert nach einem Libretto des Wiener Theaterautors Franz Xaver Huber.

Immer wieder wurde auf die gesangliche und orchestrale Nähe dieses Oratoriums zu Beethovens späterer Oper "Fidelio" hingewiesen, und in der Tat erhielt der Komponist den Auftrag zur ersten "Leonore"-Fassung des Bühnenwerkes nach der Premiere des "Ölberg"Oratoriums. In der Basilika, der ehemaligen Abtei St. Maximin in Trier bot sich nun die außergewöhnliche Gelegenheit, Beethovens Passionsoratorium "Christus am Ölberge" neu zu erleben, denn hier bildete das einstündige Werk das Zentrum in einer Passionsmusik, die der Trierer Konzertchor gemeinsam mit dem Kurpfälzischen Kammerorchester Mannheim-Ludwigshafen unter der Leitung seines Dirigenten Manfred May in bewegender Weise zur Aufführung brachte.

"Christus am Ölberge", das ist ein in arioser Grundhaltung strukturierter Rezitativgesang, der mit der ergreifenden Klage der zur Passion verurteilten Jesus-Figur beginnt und in der Schlußfuge eines Jubelchores der Engel endet, dem zuvor der Streitgesang zwischen verfolgenden Kriegern und um die Zukunft bangenden Jüngern vorausgegangen war. Der Chor ist in diesem Werk nicht mit den üblichen Choralpassagen der traditionellen Passionskompositionen ausgestattet, sondern tritt als dramatisches Erzählensemble auf, was in dieser Trierer Interpretation des im übrigen äußerst schwierigen Werkes klar zum Ausdruck gebracht wurde.

Christus, der Leidende, ist in dieser Situation bewußt als Tenor dargestellt, was der Intensität der Klage zugute kommt, die hier Helmut Wildhaber in heller Brillanz überzeugend zum Ausdruck brachte. Die übliche Evangelistenkommentierung des Passionsgeschehens ist in Beethovens Werk in die Textur einer Seraphimgestalt übernommen, die von einem Sopran in den vorgegebenen Formen des Librettos gestaltet wird. Hier entfaltete die österreichische Sopranistin Brigitte Bauma in der umfangreichen Partie hohe gesangliche Charakterisierungskunst, die zusätzlich mit dramatischen Koloraturen ausgestattet war. In der PetrusPartie bewies Baßbaritan Bardo Menke in der Streit- und Racheszene mit den Kriegern die Nähe zum operndramatischen Sujet des Gesamtwerkes, das schließlich durch die ausgezeichnete Orchestergrundlage mit kantablem Streichersatz und dramatischen Bläsern seine exzessive Abrundung erhielt.

Die Passion am Ölberg wurde ergänzt durch ein nicht minder dramatisches Fragment, die 20minütige Pilatusszene aus dem "Christus"- Oratorium von Felix Mendelssohn-Bartholdy, ein Werk, das ursprünglich mit den beiden Oratorien "Elias" und "Paulus" eine Trilogie hatte bilden sollen. Hier tritt der Tenor wieder in seine alte Erzählerfunktion ein, in harter Auseinandersetzung mit dem zur Kreuzigung rufenden Chor. Am Ende dann ein berühmtes kompositorisches Zitat: "0 Haupt voll Blut und Wunden", (das konsequent zur abschließenden Passionsstation überleitete, dem "Stabat Mater" aus den "Quattro Pezzi Sacri" von Giuseppe Verdi, in dem der Trierer Konzertchor den Charakter der Wehmut und des Schmerzes sowohl in den A capella-Teilen als auch in den Partien mit Orchester bis zur dramatischen Steigerung am Ende erregend zur Darstellung brachte. Ein Abend, der in Erinnerung haften wird.

Geschrieben von: W. Strauch-v. Quitzow
LA VOIX DU LUXEMBURG / Luxemburger Wort 26.März 1999