Innenhof des Kurfürstlichen Palais

Härtetest für den Konzertchor: Hitze und Herausforderungen als Darsteller. Auf dem Programm steht Glucks Oper "Orpheus und Eurydike". Foto: Robert Herschler

C. W. Gluck: "Orfeo ed Euridice"

Am Samstag, den 19. August 2000 fand ein Konzert im Innenhof Kurfürstliches Palais Trier und am Sonntag, den 20. August 2000 eines in St. Maximin Trier statt. Solisten:

  • Diana Damrau - Euridice
  • Martin Wölfel - Orfeo
  • Andrea Reuter - Amor


Die musikalische Leitung übernahm Manfred May, die Inszenierung übernahm Andreas May. Stefan F. Rinke war für die Bühne und die Kostüme, Reimar Toepell für das Licht zuständig.

Unterstützt wurde der Chor vom Sinfonietta Saarbrücken.

 

"Das ist schön so, wie es ist"

Proben für eine spektakuläre Open-Air-Oper - "Orpheus"-Premiere am Samstag

Von unserem Redakteur Dieter Linzt.

TRIER. Am Wochenende wird der Innenhof des Kurfürstliche Palais wieder Schauplatz des traditionellen Klassik- Open-Airs des Trierer Konzertchors. Der "Hinterhof" der Basilika gilt als schönstes Freiluft-Gelände in Trier.

"Locker stehen! Arme hoch! Ausschwingen! Und jetzt in die Abfahrtshocke!" Klar und deutlich tönen die Aufforderungen durch den Innenhof des Kurfürstlichen Palais. Doch hier ist keine Aerobic-Gruppe am Werk, die sich an einem brütend heißen Sommertag zum Härtetest versammelt hat. "Arme ausbreiten und dann bitte ein langes A singen!" Nein, auch keine Sonnentempler-Sekte beschwört ihre Götter. Hier wärmen sich Chorsänger für eine Probe auf.

Eine knappe Woche noch trennt den Trierer Konzertchor vom alljährlichen Höhepunkt der Sommer-Saison. Aber diesmal ist alles etwas anders. Mit Glucks "Orpheus und Eurydike" wird eine "echte" Oper als komplette szenische Aufführung gegeben. Statt des Konzertpodiums beherrscht eine mächtige, stark angeschrägte Bühne den Innenhof. Während Dirigent Manfred May seinen Sängern schon beim Warmsingen wunderbare Trauerklänge entlockt, kleben Regisseur Andreas May und sein Bühnenbildner mit Kreppband Markierungen auf die blaue Bühnen-Oberfläche. "Do it yourself" heißt die Devise, schließlich muss sparsam gewirtschaftet werden. Da nimmt man auch in Kauf, dass die geplante Bühne im Trapez-Format nun rechteckig geworden ist. "Das war einfach 10 000 Mark billiger", zuckt Manfred May die Schultern.

Die Temperaturen auf der Bühne erreichen langsam Backofen-Grade, aber die Zeit drängt. "Gehen Sie mal hoch und versuchen Sie einfach, auf der Schräge zu laufen", muntert der junge Regisseur die Sänger auf. Wer glaubt, die Probe barfuß angehen zu können, hat erst mal schlechte Karten.

Sänger stehen wie Touristen auf der Klippe

Die rund 50 Sänger stehen auf der Bühne wie nicht ganz schwindelfreie Touristen auf der Klippe. Man genießt die Aussicht, fragt sich aber gleichzeitig, worauf man sich eigentlich eingelassen hat.

Singen können sie alle, aber nun sollen sie neben der präzisen Stimmband-Arbeit noch Furien, Schäfer, Nymphen und gar Bäume und Steine darstellen. Der Regisseur macht es ihnen nicht leicht: Während bei anderen Orpheus-Inszenierungen der Chor oft nur eine kommentierende Funktion wahrnimmt, muss er hier auch Szenen mit gestalten, die sonst einem Ballett zugedacht sind.

Andreas May versucht, den Akteuren, deren letzte Schultheater-Erfahrungen oft schon über 30 Jahre zurückliegen dürften, die Befangenheit zu nehmen. May, als Nachwuchsregisseur am Mannheimer Nationaltheater auf dem Sprung nach oben, hat präzise durchdachte Vorstellungen. Da nützt auch die väterliche Autorität des Dirigenten wenig, wenn er etwa choreographische Änderungen vorschlägt. "Können wir beim Aufgang nicht zwei Gruppen zusammenfassen?" fragt Manfred May. "Nein, das ist schön so, wie es ist", kommt es in entschiedenem Ton zurück.

Je mehr die Sänger sich auf die Ideen der Regie einlassen, desto besser klappt die Umsetzung. Musikalisch wirkt die Produktion schon jetzt ausgesprochen sattelfest. Manfred May, der mit Strohhut auf dem Dirigentenstuhl sitzt, und Studienleiter Joachim Mayer-Ullmann können sich der Feinarbeit widmen.

Auf der Bühne muss hingegen noch etwas grober gefeilt werden. "Ihr revoltiert gegen die Götter, ihr zeigt ihnen richtig empört die Faust", erklärt der Regisseur und übersetzt es auch für die waschechten Trierer im Chor: "Net doof genn!"

Beim vierten, fünften Durchgang zeichnen sich dann langsam die Konturen ab: Die Hochzeitsgesellschaft, die gut gelaunt eintrifft und dann beim Anblick der toten Eurydike erstarrt, die Wechsel der Rollen und Perspektiven. Nun müssen die Solisten integriert werden - was angesichts der gewohnt hochkarätigen Gäste des Konzertchors kein Problem sein dürfte.

Bleibt nur eine Unwägbarkeit: das Wetter. Der bei Regen unvermeidliche Umzug nach St. Maximin würde die ganzen Anstrengungen um die szenische Gestaltung zunichte machen. Eine der Sängerinnen hat aber schon das Patentrezept gefunden: "Ich putze diese Woche auf keinen Fall Fenster, dann gibt's auch keinen Regen." Falls es klappt, sollte man die Dame für die nächsten Antikenfestspiele engagieren.

Vorstellungsbeginn am Samstag und Sonntag ist, anders als angekündigt, um 21 Uhr. Vor und nach der etwa eineinhalbstündigen Aufführung (ohne Pause) können sich die Besucher auf dem Palais-Vorplatz gastronomisch verwöhnen lassen. Nach Aufführungsende veranstalten die Moselfestwochen im Palastgarten die traditionelle Illumination.

Der Vorbericht des Trierischen Volksfreund