Innenhof des Kurfürstlichen Palais

Eine Liebe, zum Scheitern verurteilt: Gundula Schneider (Dido) und Tobias Scharfenberger (Aeneas). Foto: Willi Speicher

Die Uraufführung von "Dido und Aeneas" fand im Mädchenpensionat statt - die Trierer Inszenierung von Andreas May spielt darauf an. Foto: Josef Tietzen

Henry Purcell: Dido & Aeneas und Georg Friedrich Händel: Feuerwerksmusik

29. und 30. August 2003

  • Dido - Eva Maria Günschmann, Gundula Schneider
  • Aeneas - Tobias Scharfenberger
  • Belinda - Christina Clark
  • Zauberin - Maria Kowollik
  • Hexe - Tania Ponten
  • Matrose, Geist - Manuel Stöbel

Regie: Andreas May Bühne: Stefan Rinke Kostüme: Heike Schöpker Licht: Reimar Toepell

Kurpfälzisches Kammerorchester Mannheim Trierer Konzertchor Leitung: Manfred May

 

"Der Chor erlebt sich ganz anders"

Mut zum künstlerischen und finanziellen Risiko: Der Trierer Konzertchor zeigt die Oper "Dido und Aeneas"

Von unserem Redakteur Dieter Lintz.

TRIER. Wenn ein profilierter Laienchor ein Abenteuer sucht, begibt er sich auf die Opernbühne. So wie derTrierer Konzertchor, der mit großem Aufwand und noch größerem Engagement Henry Purcells Oper "Dido undAeneas" im Hof des Kurfürstlichen Palais produziert - komplett in Eigenregie.

"Das Ganze bitte noch einmal, aber diesmal mit dem richtigen Gesichtsausdruck!" Die kategorische Dienst-Anweisung von Regisseur Andreas May entlockt dem einen oder anderen Sänger des Trierer Konzertchors ein leises Stöhnen. Mit aufgespannten Regenschirmen simuliert man ein Unwetter, muss dabei höchst komplizierte Laufwege zurücklegen, den Dirigenten nicht aus dem Blick verlieren, die Töne treffen, den Text exakt artikulieren. Alles gleichzeitig. Und das Ganze dann auch noch mit genau jenem Gesichtsausdruck, den der Regisseur gerne haben will.

Arbeit mit den Profis ist für Laien faszinierend

Und trotzdem: Die Stimmung bei den Proben für "Dido und Aeneas" ist prächtig. Seit Freitag ist man täglich auf der Bühne, und auch die Besprechung nach dem fünften Probentag endet mit fröhlichem Gelächter. "Der Chor erlebt sich ganz anders", sagt eine langjährige Aktive. Die Zusammenarbeit mit dem Regisseur und Solisten-Profis wie Eva-Maria Günschmann, Chri-stina Clark und Tobias Scharfenberger ist faszinierend für die "Laien".

"Bis jetzt hat's total Spaß gemacht", sagen auch Hanna, Andrea und Margarete, die Jüngsten am Set. Die Schülerinnen vom Angela-Merici- und Max-Planck-Gymnasium haben schon beim "großen" Stadttheater Erfahrung gesammel - in kleinen Kinderrollen. "Aber diesmal ist es anders, wir sind die ganze Zeit dabei", erzählen sie begeistert. Am schwierigsten sei es, "das Singen und das Spielen unter einen Hut zu kriegen". Da unterscheiden sich die "Küken" nicht von den erfahrenen Sängern. Immer wieder erläutert Andreas May die darstellerischen Aufgaben, fängt sich auch manchen skeptischen Blick ein. Der eine oder andere zweifelt an der vergleichsweise modernen Inszenierung. "Ob das Publikum das auch kapiert?" Die Frage steht immer wieder im Raum.

Dabei ist die Handlung recht simpel, das Libretto geht locker auf gerade mal fünf Din-A-4-Seiten. Komponist Henry Purcell und Dichter Nahum Tate haben eine Episode der griechischen Sagenwelt verarbeitet: Der Trojanerfürst Aeneas, auf der Flucht nach dem verlorenen Krieg, kommt nach Karthago, wo er sich in Königin Dido verliebt - und sie sich in ihn. Missgünstige Geister täuschenAeneas einen Abzugsbefehl der Götter vor, er will gehorchen, Dido stirbt vor Gram.

Uraufgeführt wurde das Stück 1689 in einem Mädchenpensionat. Mays Inszenierung nimmt die Idee auf, vermischt die Schul-Aufführung mit der Opernhandlung. Die Schüler übernehmen die Rollen, zeigen damit dem Publikum, wie zeitgemäß die angesprochenen Probleme sind.

Vor der Aufführung das Programmheft studieren

"Nur muss es das Publikum auch verstehen", sagt Richard Krings und verweist auf das informative Programmheft, dessen Lektüre sich vor der Vorstellung empfiehlt.

Nicht nur das Programmheft macht der Chor selbst. Für Hermann Münzel und einige seiner Sänger-Kollegen hat der Probentag schon am frühen Morgen begonnen - auf der Autobahn. Per LKW holt man in Gelsenkirchen bei einem Spezial-Unternehmen die Scheinwerfer und Licht-Elemente ab, das spart Kosten.

Mit 50 000 Euro schlägt die Produktion zu Buche, nur knapp die Hälfte ist über Sponsoren abgedeckt. Das Risiko liegt beim Chor. "Da schlagen alle Zusatzkosten ins Kontor", sagt Dirigent und Initiator Manfred May. So baut man selbst an der Bühne mit, verlegt Teppichböden - und betet für gutes Wetter. Denn wenn am Freitag und Samstag das späte Sonnenlicht durch die rückwärtigen Fenster der Basilika schimmert, dann stimmt nicht nur die Atmosphäre im Innenhof des Kurfürstlichen Palais - und es stimmen hoffentlich auch die Zuschauerzahlen.

Aufführungen am 29. und 30. August, jeweils 21 Uhr, kombiniert mit Händels "Feuerwerksmusik". Bei schlechtem Wetter findet die Veranstaltung in St. Maximin statt. Infos und Karten unter Tel. 06531/3000

© Intrinet 2003. Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung und Übernahme von Daten auch auszugsweise nur mit schriftlicher Genehmigung. // Erschienen im Trierischer Volksfreund am 26.08.2003

 

Gute Zeiten, schlechte Zeiten im Mädchenpensionat

Henry Purcells "Dido und Aeneas" neu gesehen: Barocke Oper wird ungeahnt aktuell

Von unserem Redakteur Dieter Lintz

TRIER. Zitterpartie mit glücklichem Ausgang: Allen Wetter-Unbilden zum Trotz konnte der Trierer Konzertchor seine Opern-Premiere wie geplant "Open air" im Innenhof des Kurfürstlichen Palais feiern.

Er liebt sie und sie liebt ihn. Alles könnte so einfach sein, wäre da nicht die Umwelt, die Missgunst und Verwirrung sät. Er ist zu feige, ihr zu sagen, dass er wegen des Jobs für längere Zeit woanders hin muss. Sie sieht ihm das schlechte Gewissen an der Nasenspitze an und ist tödlich beleidigt, dass er überhaupt in Erwägung zieht, weg zu gehen. Triumph der Intriganten, tragisches Ende einer hoffnungsvollen Beziehung.

Die alte Tante Oper ist moderner, als man denkt

"Gute Zeiten, schlechte Zeiten"? "Verbotene Liebe"? Irrtum. "Dido und Aeneas", geschrieben und komponiert im Jahr 1689. Und die ursprüngliche Geschichte ist, wie der geneigte Leser von "Schwabs Sagen des klassischen Altertums" weiß, noch drei Jahrtausende älter.

Die gute alte Tante Oper ist moderner, als man denkt. Vor- ausgesetzt, man räumt den Schutt der Jahre so originell beiseite, wie es die neue Produktion des Trierer Konzertchors tut.

Die Geschichte vom trojanischen Königssohn, der nach dem Fall seiner Heimatstadt in Karthago landet, dort um die Königin Dido freit, bis ihn böse Geister vermittels eines fingierten Götterbefehls zum Weiterzug bewegen, worauf Dido vor Gram stirbt: Regisseur Andreas May bettet sie in eine neue Rahmenhandlung ein. Dabei greift er auf, dass die erste verbürgte Aufführung von Purcells Oper in einer Mädchenschule stattfand.

So findet sich das Publikum im Innenhof des kurfürstlichen Palais plötzlich als Zaungast einer Schulstunde wieder. Gemütlich schlendern die Schüler über den Hof, bis die Glocke zum Unterricht ruft. Der "Obermacker" der Klasse kommt mit der Freundin im Arm, die schüchterne Musterschülerin wird von der fröhlichen "Betriebsnudel" der Klasse begleitet.

Die gestrenge Lehrerin lässt an einer überdimensionalen Tafel per Folienprojektion den Lehrstoff der Stunde Revue passieren: Die Sage von "Dido und Aeneas". Stück für Stück wachsen die Schüler in die Rollen, verschränken sich Schulstunde und Spielhandlung. Aeneas, der Macker, und Dido, die Musterschülerin, verlieben sich; die geschasste Freundin verwandelt sich in eine böse Zauberin, tauscht sogar die Folien der Lehrerin aus, fälscht das Drehbuch, um das Happy End zu verhindern.

Das ist fantasievoll und detailgenau durchdacht, stellenweise auch in eine tolle Bildersprache umgesetzt. Und im Kopf funktioniert es auch. Aber auf der Bühne ertrinkt das Verständnis für die Handlung bisweilen in der Ideenflut des Regisseurs.

Dabei fehlt es nicht an Bemühungen, den Ablauf transparent zu machen. Die Schüler sind in einheitliche weiße Uniformen gekleidet. Übernehmen sie eine Rolle, dann treten sie in einem farbigen Kostüm auf. Die Sänger spielen ihre Rollen plastisch, der Chor agiert mit demonstrativer Deutlichkeit. Aber die vielen Handlungsfäden entwirren sich auf der breiten, unübersichtlichen Bühne nicht immer. Weniger könnte durchaus mehr sein.

Was nicht für die Musik gilt. Das Solisten-Quartett überzeugt mit einer Gesangskultur, die der Barock-Oper und ihrer gemessen-schlichten, auf Exaltation verzichtenden Stilistik vollauf gerecht wird. Gundula Schneider, kurzfristig für die erkrankte Eva-Maria Günschmann eingesprungen, gestaltet eine innige Dido, Tobias Scharfenbergers Aeneas überzeugt in lyrischen und kraftvollen Passagen gleichermaßen, Christina Clark bezaubert als agile, spielfreudige Belinda, Maria Kowollik verleiht der Zauberin den nötigen dämonischen Glanz (in weiteren Rollen: Tanja Ponten, Manuel Stöbel, Anja Weichert).

Das Kurpfälzische Kammerorche-ster kommt über eine solide Begleiterrolle nicht hinaus; eigene Akzente, dynamische Ausrufezeichen, Dialoge mit den Sängern sind Mangelware. Was auch damit zusammenhängen mag, dass Dirigent Manfred May, gesundheitlich stark angeschlagen, direkt aus dem Krankenhaus ans Pult eilen musste.

Ein Wunder vor der Basilika-Kulisse

Was immer man am Dirigenten May kritisieren mag: Der Chorleiter May hat ein Wunder vollbracht. Die Leistung des Konzertchors, das exakte Ausleuchten von Purcells musikalischen Gefühlswelten, der exzellente idiomatische Umgang mit den englischen Texten, die fein ziselierten Stimmungswechsel: Das wäre schon konzertant ein Meisterstück. Angesichts der komplizierten szenischen Aufgaben, die die Laien-Akteure "nebenher" erfüllen müssen, ist es eine Glanzleistung. Vergleichbare Qualität hätte man sich für die Antikenfestspiele gewünscht, aber dafür müssen Regisseur und Dirigent den Chor wie hier als zentrales Element einer Produktion begreifen und nicht als schmückendes Beiwerk.

So wird der Abend vor der eindrucksvollen Basilika-Kulisse ein Erlebnis, nicht zuletzt dank der ideenreichen Ausstattung von Stephan Rinke und dem stimmungsvollen Licht von Reimar Toepell. Und auch das Orchester holt sich später seine Lorbeeren, mit Händels "Feuerwerksmusik", die Jochen Schaaf mit frischen Tempi und angenehm unpompös dirigiert.

© Intrinet 2003. Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung und Übernahme von Daten auch auszugsweise nur mit schriftlicher Genehmigung. // Erschienen im Trierischer Volksfreund am 31.08.2003