Innenhof des Kurfürstlichen Palais

Traumhafte Stimmung: Der Trierer Konzertchor bei Henry Purcells "Dido und Aeneas" im vergangenen Sommer.

Der Trierer Kanzertchor unter Manfred May zusammen mit Franz Grundheber und Julia Borchert Foto: Willi Speicher

Felix Mendelssohn-Bartholdy: Elias

Open Air Jubiläumskonzert 40 Trierer Konzert- und Kammerchor

Solisten:

  • Julia Borchert - Sopran
  • Tanja Ponten - Mezzo
  • Maria Kowollik - Alt
  • Helmut Wildhaber - Tenor
  • Franz Grundheber - Bariton
  • Trierer Konzertchor
  • Orchester der Stadt Trier
  • Leitung: Manfred May
  • Korrepetition: Prof. Jochen Schaaf

Einigkeit durch Optimismus

TRIER. Der Trierer Konzertchor ist 40 Jahre alt geworden. Am 26. Juni findet das Jubiläumskonzert statt: Mendelssohn-Bartholdys "Elias". Franz Grundheber singt die Titelrolle.

Von unserem Redakteur Martin Möller.

Keine Spur von Altersmilde. Manfred May schaut den Gesprächspartner so unternehmungslustig an, als plane er gerade die nächste Chorgründung. Dabei etablierte er den "Trierer Kammerchor", seit 1993 "Trierer Konzertchor", vor 40 Jahren. Im Mai 1964 fand die erste Probe statt. Und als vier Jahre später Bachs Johannespassion aufgeführt werden sollte, formierte May aus acht Schülern ein verstärkendes Ensemble. Das war der Kern des Kinderchors. Der umfasst heute 25 Mitglieder und fungiert auch als Nachwuchsschule für künftige Konzertchor-Sänger. Was hat Manfred May dazu getrieben, neben der Arbeit als Musik- und Sportlehrer, neben der Tätigkeit in der Lehrerausbildung und zeitweise trotz einer gefährlichen Krankheit einen Chor aufzubauen und über Jahrzehnte hinweg zu leiten? Es war ein Stück Besessenheit, sagt er heute, eine Leidenschaft fürs Dirigieren. Es war ganz sicher nicht die Sucht nach Selbstdarstellung. Im Mittelpunkt stand immer die Musik - Komponisten, Werke und deren Interpretation.

Fragt man die Chorsänger, so verschieben sich die Akzente. "Spontaner Spaß an Musik und Singen", gibt der Chorvorstand als Grund fürs Mitmachen an, dazu die Einmaligkeit des Konzert-Erlebnisses, die Verbindung von künstlerischer Qualität und persönlichen Kontakten und auch die heilende und tröstende Wirkung der Musik. Und dann sprechen sie über eine zentrale Eigenschaft des Dirigenten. Sie nennen es seine "Aura". Manfred May besitze die Fähigkeit, zu begeistern. Es ist seine Person, die mit ihrer Liebe zur Musik und ihrer positiven Ausstrahlung den Chor zusammenhält und motiviert - Einigkeit durch Optimismus.

Mit diesem starken Impuls trägt der Chor auch unvertraute Musik mit. Stücke wie "A Child of our Time" von Michael Tippett oder zuletzt die "Apokalyptischen Reiter" von Heinz Heckmann lösten mehr Neugier als Abwehr aus. Selbstverständlich stehen die klassischen Oratorien im Mittelpunkt. Aber es gibt auch anderes: Musik vom Kurtrierischen Hof, französische Romantik oder die Ausflüge in die Oper, zuletzt mit Henry Purcells "Dido und Aeneas" im vergangenen Jahr. Hat solch ein intensives Engagement Zukunft in einer Gesellschaft, die die Menschen immer stärker einspannt in die Maschinerie der Arbeitsprozesse? Die Anfragen zum Mitsingen hätten eher zu- als abgenommen, von Singemüdigkeit gebe es nicht die Spur. Aber Manfred May registriert auch, dass die Besucherzahlen in den letzten Jahren zurückgegangen sind. Und doch trübt solche Skepsis die Zuversicht des Chorleiters kaum. Der Konzertchor sei immer ohne nennenswerte Subventionen ausgekommen, er habe sich "immer selber versorgt". Das ist für schwierigere Zeiten ganz gewiss eine gesunde Basis.

Zum Jubiläum erklingt am Freitag, 26. Juni, 20 Uhr in Innenhof des Kurfürstlichen Palais Trier Mendelssohn-Bartholdys Oratorium "Elias". Der Trierer Konzertchor wird vom Städtischen Orchester begleitet. Solisten: Julia Borchert, Maria Kowollik, Helmut Wildhaber und Franz Grundheber. Leitung: Manfred May. Das Konzert findet im Rahmen der Mosel Festwochen statt. Karten: 06531/4066

© Intrinet 2004. Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung und Übernahme von Daten auch auszugsweise nur mit schriftlicher Genehmigung. // Erschienen im Trierischer Volksfreund am 16.06.2004.

 

Blutdurst und Engels-Visionen

TRIER. Oben zogen die dunklen Gewitterwolken gerade noch vorbei. Unten im Kurfürstlichen Palais-Innenhof bewältigten der Trierer Konzertchor und das Städtische Orchester unter Manfred May die meisten Klippen der Freiluft-Aufführung. Eine Glanzpartie im "Elias": Franz Grundheber.

Von unserem Redakteur Martin Möller.

Seltsam, dieser Elias. Er beweist sich mit Wundertaten, ruft das Volk zum massenhaften Mord auf und verklärt die Untat als gottgewollt. Das klingt nach einer Religiosität, wie sie derzeit im Nahen Osten praktiziert wird. Zügeln wir die Empörung! Mendelssohns Oratorium nimmt im zweiten Teil eine Wende. Der Komponist und sein Berater Julius Schubring waren zu klug, um Ideologie zu verbreiten. Und Manfred May findet im Jubiläumskonzert des Trierer Konzertchors das Zentrum, das Herz des Werks.

Julia Borcherts heller, gradliniger Sopran - wunderschön das erste Duett mit Tanja Pontens Mezzo - verbindet nach der Pause eindringlich Bekenntnis und sehnsüchtigen Appell. Dann entfalten der Trierer Konzertchor, entfaltet das sorgfältig und Routine-frei musizierende Städtische Orchester, entfaltet Franz Grundhebers Elias den Perspektivenreichtum dieses erstaunlichen Oratoriums.

Angefangen hatte die Aufführung mit einigen Problemen. Unter Manfred Mays Dirigat blieb die Ouvertüre, die so energisch auf den Eingangschor zielt, zu statisch. Der achtstimmige Satz "Denn er hat seinen Engeln" missriet dem Konzertchor glatt. Auch bei zwei Solisten blieben Wünsche offen. Helmut Wildhaber lieferte eine tadellose Tenor-Partie ab. Die klang lyrisch-kultiviert und blieb doch charakterlos. Auch bei Maria Kowolliks klangschönem Alt blieben die bösartigen, die dramatischen Töne aus. Und Franz Grundheber? Einige Momente lang schien es, als würde er der Titelfigur allzu viel Souveränität mitgeben. Der edle, metallene Klang des großen Baritons, die eindrucksvolle sängerische Statur: Da stand eine Lichtgestalt auf dem Podium - eindrucksvoll und einseitig.

Aber er weiß, wie differenziert Mendelssohn mit der Figur umging. Elias ist nicht selbstherrlicher Prophet, sondern ein einsamer, oft verzweifelter und ganz gewiss fehlbarer Kämpfer. Seine große Arie im zweiten Teil - da wird fast körperlich spürbar, mit welcher Energie Grundheber seine Ausdrucks-Mittel konzentriert, um der traurigen Selbstaufgabe des Gescheiterten etwas Echtes, ganz Persönliches mitzugeben: "Es ist genug." Das ist der Mittelpunkt des Werks und zugleich eine Absage an gedankenlose Überhöhung. Franz Grundhebers Tonfall in den Stücken danach hat etwas Erleichtertes, Befreites. Elias gibt sein Werk in Gottes Hand. Und in den Engels-Visionen, in der Schilderung von Gottes leiser Offenbarung, schließlich im Sanctus treffen der Trierer Konzertchor und Manfred May genau den Tonfall gläubiger Ergebung. Elias ist nur zu Beginn der blutdürstige Rache-Priester. Er entwickelt sich mehr und mehr zum Anti-Helden. Darum handelt das Stück sein weiteres Wirken nur noch summarisch ab. Aufführungspraktisch klug hatte der Dirigent die Bläser zurückgehalten, um den Chor nicht zu überfordern. Er setzte auf Prägnanz, nicht auf großen Klang. Davon profitierte der Schlusssatz, ein springlebendiger Jubelchor. Elias ist abgetreten, Gottes Heilsplan bleibt. Der Innenhof wird zum Symbol fürs Stück. Sein Himmel steht offen.

© Intrinet 2004. Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung und Übernahme von Daten auch auszugsweise nur mit schriftlicher Genehmigung. // Erschienen im Trierischer Volksfreund am 28.06.2004.