Kurfürstliches Palais Trier, Innenhof

Immer wieder eine stimmungsvolle Kulisse für große Chorkonzerte: Der Innenhof des Kurfürstlichen Palais. Foto: Konzertchor

Außergewöhnlicher Spielort: Der Innenhof des Kurfürstlichen Palais mit der angrenzenden Konstantin-Basilika. TV-Foto: Josef Tietzen

Joseph Haydn: Die Jahreszeiten

Zum 200. Todesjahr von Joseph Haydn ein Oratorium für Soli, Chor und Orchester

Solisten:

  • Evelyn Czesla - Sopran
  • Clemens Bieber - Tenor
  • Nico Wouterse - Bass


Philharmonisches Orchester Trier | Trierer Konzertchor
Leitung: Manfred May

 

Die Schönheit des Landlebens

Das Oratorium "Die Jahreszeiten" gilt als vielfältigstes, farbigstes und besonders "volksnahes" Werk des vor 200 Jahren gestorbenen Komponisten Joseph Haydn. Im Haydn-Jahr 2009 widmet sich der Trierer Konzertchor dem monumentalen Opus - und zwar open air im Hof des Kurfürstlichen Palais.

Von unserem Redakteur Dieter Lintz

Trier. Wenn er von den "Jahreszeiten" spricht, gerät Konzertchor-Chef Manfred May ins Schwärmen. Von den "hinreißenden Naturschilderungen" erzählt er, von "hervorragend herausgearbeiteten Stimmungen". Schon zum vierten Mal in seiner 45-jährigen Geschichte interpretiert der Chor das Werk, das bis heute als künstlerische Bilanz der reichen Lebenserfahrungen des österreichischen Komponisten gilt.

Frühling, Sommer, Herbst und Winter, der Rhythmus des Jahres in einer ländlichen Region, betrachtet anhand der Protagonisten Simon, Lukas und Hanne: Das war ein ungewöhnliches Thema zu Anfang des 19. Jahrhunderts. Jedenfalls für Oratorien. Die hatten sich mit den großen religiösen Themen zu beschäftigen, oder wenigstens mit den Helden der Antike oder den großen Themen der Aufklärung.

So taten sich die "Jahreszeiten" zunächst schwer, galten als weniger bedeutendes Werk im Vergleich mit der zwei Jahre vorher entstandenen "Schöpfung". Aber sie bereiteten den Weg für große Sinfonien wie Beethovens "Pastorale". Und schließlich sorgten gerade populäre Elemente wie das "Weinfest des Volkes" (Haydn: "So eine besoffene Fuge habe ich noch nie geschrieben") dafür, dass sich die "Jahreszeiten" beim Publikum durchsetzten.

Noch am Vorabend in Bayreuth im Einsatz

Für die Produktion im Innenhof des Kurfürstlichen Palais hat sich May nicht nur des Philharmonischen Orchesters der Stadt Trier versichert, sondern auch profilierter Solisten. Frisch aus Bayreuth kommt Clemens Bieber, der bei den Wagner-Festspielen heuer gleich dreifach (Parsifal, Rheingold, Tristan) im Einsatz ist. Das Trierer Theater ist mit der vielfältig einsetzbaren Sopranistin Evelyn Czesla vertreten; zudem gibt es ein Wiedersehen mit dem beliebten Bassbariton Nico Wouterse, der seit mehreren Jahren zum Opern-Ensemble in Dessau gehört, aber immer noch regelmäßig Kontakte nach Trier pflegt.

Falls das Wetter nicht mitspielt, ist diesmal nicht St. Maximin, sondern die Arena als Ausweichspielstätte vorgesehen. Dort hat der Konzertchor mit den "Carmina Burana" gute Erfahrungen gemacht.

Joseph Haydn, "Die Jahreszeiten" am 30. August 2009, 17 Uhr im Innenhof des Kurfürstlichen Palais. Eine Veranstaltung des Mosel-Musikfestivals. Karten gibt es in den TV-Service-Centern Trier, Bitburg und Wittlich und unter der Hotline 0651/7199-996

© Volksfreund 2009. Alle Rechte vorbehalten. // Erschienen im Trierischer Volksfreund am 19.08.2009.

 

Jahreszeiten im Klima-Wandel

Joseph Haydns Mammutwerk "Die Jahreszeiten", open air dargeboten im Innenhof des Kurfürstlichen Palais: Damit reihte sich der Trierer Konzertchor ein in die Schar der Veranstaltungen zum 200. Todestag des Wiener Meisters. Das Publikum war angetan von den ländlichen Szenen um das Verhältnis von Mensch und Natur.

Von unserem Redakteur Dieter Lintz

Trier. Einem alten Spruch zufolge regnet es in Trier oder die Glocken läuten. An diesem wunderschönen Spätsommer-Sonntagnachmittag regnet es nicht - und läutet dafür umso ausgiebiger. Da helfen auch die dicken Mauern der Basilika und des Palais wenig, wenn die Glocken zu einem gefühlten Dutzend Abendmessen rufen. Aber eigentlich passt das nicht einmal schlecht zu Haydns Sittenbild des Dorflebens, zu seiner beredten Schilderung von Frühling, Sommer, Herbst und Winter im bäuerlichen Ambiente. Die Texte sind von einer fast skurrilen Gegenständlichkeit, mal wie ein Bauernbrevier mit praktischen Ratschlägen, dann wie die Berichte eines fiktiven Lokalredakteurs aus dem 18. Jahrhundert über die Ereignisse im Ort oder die Live-Schaltung in den Festsaal oder zur Hasenjagd. Die Solisten Evelyn Czesla, Clemens Bieber und Nico Wouterse praktizieren eine derart vorbildliche Wortverständlichkeit, dass man das im Programmheft abgedruckte Libretto im Grunde nicht braucht. Manchmal können sie sich ein mildes Lächeln über Gottfried von Swietens eigenwillige Texte nicht verkneifen. Biebers schlanker, exzellent geführter, vor Eleganz sprühender Tenor erlaubt ihm in Verbindung mit der feinen Akustik des Innenhofs, ganze Passagen in feinstem piano zu singen.

Emotionsreich schön differenziert

Superbe Phrasierung, Unangestrengtheit selbst in heiklen Passagen: Da hat sich der Ausflug nach Trier zwischen zwei Bayreuth-Auftritten fürs Publikum gelohnt. Evelyn Czesla gestaltet ihre Landmädchen-Rolle emotionsreich, mit schönen Differenzierungen und jenem Maß an Opern-Dramatik, das gerade dieses "Handlungs-Oratorium" nicht nur verträgt, sondern braucht. Nico Wouterse entwickelt sich immer weiter zum großen, eindrucksvollen Gestalter und Erzähler, wie es zur Bass-Partie gehört. Meisterhaft seine Jagd-Schilderung, fast schon in der Nähe des Liedgesangs, was Finesse und Präzision angeht. Der Konzertchor liefert seine stärksten Momente am Anfang und am Schluss, mit dem schön herausgearbeiteten Gegensatz zwischen Männern und Frauen im Dorf und der finalen Apotheose mit ihren religiösen Anklängen. Ausgewogen das Klangbild, vor allem bei den Frauenstimmen, mehr als respektabel der Umgang mit den Textmassen, die das Stück auf netto zweieinhalb Stunden anschwellen lassen. Das Philharmonische Orchester der Stadt Trier unter der Leitung von Manfred May kommt frisch aus den Ferien zurück, zeigt sich souverän in den Soli und aufmerksam im Zusammenspiel. Und doch, wenn man alles zusammennimmt, fehlt da was: die Verve der Naturschilderung, die Wucht, das Umwerfende. Schon das Winter-Ende zu Beginn wirkt, als habe der Klimawandel zugeschlagen. Das Klirrende, Schroffe fehlt, alles ist etwas zu mild. Dafür bedürfte es für den monumentalen Gewitter-Sturm im Sommer keiner Unwetter-Warnung, ein ordentlicher Schirm würde reichen. Das "besoffene Volksfest" (Haydn) fällt recht zahm aus, Ausgelassenheit kommt erst am Schluss auf. Auch die Schilderung der erwachenden Tierwelt könnte einen Schuss mehr Prägnanz brauchen. Dafür sind die getrageneren Passagen durchweg gut getroffen. Die gut tausend Konzert-Besucher zeigen sich mehr als zufrieden - und entsprechend beifallsfreudig.

© Volksfreund 2009. Alle Rechte vorbehalten. // Erschienen im Trierischer Volksfreund am 01.09.2009.